Freitag, 9. Mai 2008

morgens früh im Café Sehnsucht...

witzig, früher saß ich immer in meinem Berliner Café „Zitrone“ und schrieb „Lieber Theo“ in meinen Laptop. Das ist schon zwei Jahre her, und lange habe ich keine Briefe mehr in Cafés in den Laptop geschrieben. Ich bin zu selten „unterwegs“- dieses geistige Unterwegssein...
Heute aber fühlte ich mich sehr inspiriert. Ich merke wie ich schnell machen muss, um es nicht zu verlieren. Das ist leider oft so, je länger ich im Tagesgeschehen drin bin, je mehr Menschen in reden gehört habe, und erst recht, wenn ich mitgesprochen habe. Morgens ist da noch diese Magie, nicht nur, weil es der Morgen mit seinem schönen Licht und den zwitschernden Vögeln ist, sondern wohl auch, weil ich gerade erst aus meinen Träumen komme, einem Ort, der die Seele in Watte packt..
Ah, jetzt wird die Carla Bruni CD aufgelegt, sehr gut, das lässt die Gespräche der Tische um mich herum weniger präsent werden . Da sind heute morgen, halb elf im Café Sehnsucht, nur zweier-Frauen-Runden um mich herum. Zwei Mütter mit Babys- eines hängt gerade ganz selbstverständlich an Mutters entblößter Brust. Sie wippen sie auf ihrem Schoß herum, machen an ihnen herum, Lagewechsel, Bauchlage, anschauen, mit den Fingerchen spielen, ein lebendiges Spielzeug, dass plötzlich der Lebensinhalt geworden ist.
Als ich klein war, und ein Geschenk oder etwas Neues bekommen hatte, wachte ich oft am nächsten Morgen auf, und hatte so ein besonderes Gefühl. Im ersten Morgentran wusste ich noch nicht was es war. In diesem kleinen Moment, wo man sich noch fragt, welcher Tag heute ist, und was es heute zu tun gibt, da fragte ich mich, was ist da Neues in meinem Leben, etwas Gutes ist doch passiert!?
Ob die jungen Mütter dieses Gefühl nun jeden Tag verspüren? Na vermutlich werden sie meistens durch das kreischende Baby geweckt, so dass man sich wenig Fragen stellen muss, was denn wohl das gute Neue im Leben ist ( und da kreischt das kleine Menschlein auch schon, und keiner weiß warum...)
Dann ist da ein Tisch von zwei Frauen, die haben nur einen Tee getrunken, scheinen sich rein pragmatisch, nicht aus Freundinnen-Verbundenheit getroffen zu haben. Sie sprachen über Schauspiel, über Jobs, nun tauschen sie gerade e-mail-Adressen aus. „Ist ja witzig,“ sagt da gerade die eine, weil wohl etwas Kreatives im Namen steckt. Das kennen wir alle. Situationen, die sich in ihren Worten, Gesten und Gefühlen so oft wiederholen...
Mütter und Babys gehen... müssen gehen, das kleine Menschlein hört nicht auf zu weinen. Inspiration und Muttersein... verträgt sich das?
Nun sind auch die Schauspielerinnen gegangen und zurück bleibt noch ein Tisch mit zwei Frauen. Untypische Café-Sehnsucht-Besucherinnen: Kölnerinnen!! Die echten, ja sie gibt es noch, und das hier im kultigen Ehrenfeld, das so viele Immis anzieht. Zwei blonde Frauen (gefärbt), Kleidung sommerlich (natürlich bei dem neuen Wetter), pastellfarben, Top und Strickjäckchen in rosa und es dringen kölsche Töne an mein Ohr („wat bin isch froh datt isch keene Zwillinge han“ oder „beim C&A hann isch nix jefunde“). Sie frühstücken. Den Klassiker: Brötchen, Schinken, Käse und Ei. Dazu herkömmlichen Kaffee. Milchkaffee? Warum mehr zahlen für datt selbe? Café Latte gar? Kaffee im Glas- wofür datt dann?

Ich bin gerade ziemlich glücklich. „Ziemlich glücklich“ schreibe ich. Was soll denn das sein?! Das heisst wohl, ich traue mich nicht zu sagen, dass ich „richtig glücklich“ bin!?
Ich muss grinsen. Neulich sagte ich, als ich mit Stefan auf dem Rad saß, an einem dieser ersten frühsommerlichen Tage, dass ich gerade glücklich bin (ich glaube, ich ließ sogar „ziemlich“ weg). Er darauf, ganz nüchtern: „Das ist schlecht.“ Ich musste sehr lachen. Ich weiß eigentlich gar nicht warum. Vielleicht weil ich glücklich war....
Glücklich- das macht die Sonne, die warmen Temperaturen, die Kleidung, die man so lange im Schrank brach liegen hatte. Heute habe ich eine Hose angezogen, die mich sofort in eine andere Welt trug. Es ist eine weiße Hose, die ich für 3 Euro auf einem italienischen Markt gefunden habe, und fast täglich in der Villa Bacio trug...
Gerade laufen mir so viele Bilder der Erinnerung durch den Kopf: Italien letztes Jahr...
Der letzte Frühling, wo ich sehr inspiriert war, hochgradig emotional und leicht verliebt in einen Mann, der einfach nur Spass machte (es war ja Frühling). Begleitet wurde diese Zeit von dem Lied „Halleluja“ von Jeff Buckley. Ein Lied, dass mir durch und durch ging, das meine hohe Emotionalität begleitete, das ich sang während ich durch die aufkeimende Natur spazierte.
Da war der Italienisch-Kurs, der mich in freudige Aufregung auf das, was da kommen mochte, versetzte.
Da war der Balkon von Christiane. Ich hütete ihre Wohnung, während sie in Bali den deutschen Frühling verpasste. Frühstück und Abendessen auf diesem kleinen Austritt, der von der Sonne beschienen wurde, und Ausblick auf die Kirche bot. Die Kirchturmglocke, jede halbe Stunde, ich habe sie sehr gemocht.
Eine ähnliche Stimmung befällt mich gerade. Frühling 2007, und nun Frühling 2008. Da sind Parallelen. Weihnachten denkt man vielleicht auch an das letzte Weihnachten. Geburtstag denkt man unweigerlich an seinen letzten Geburtstag. Und Frühling ist wohl das intensivste Gefühl. Dieses Aufblühen der äusseren und inneren Natur...
Und dann habe ich heute morgen noch Musik von Brett Perkins gehört. Dem Mann. Mit dem ich im Sommer vor zwei Jahren eine sehr schöne Zeit hatte. Unglaublich wie Musik in der Lage ist, all das in ein paar Takten zurück zu holen.
Dankbar bin ich, weil ich so viel schon erlebt habe. Es gibt so viele Bilder, die ich abrufen kann. Es ist als sei mein Leben ein Haus mit vielen Zimmern. Ich kann in die einzelnen Zimmer gehen, und jedes ist eine Phase meines Lebens.

Nun werde ich unruhig. Es wird auch voller und verrauchter hier im Café. Draussen lockt immer noch die Sonne, und genau dahin werde ich nun gehen!