Ich und Obama
Es gibt den ersten Kommentar zu meinen kleinen Texten.
„Morgens im Café Sehnsucht“ hat gefallen :)
Gerne schreibe ich mehr. Möchte ich heute einen Text verfassen, könnte ich ihn „Nachmittags im Café Franck“ nennen.
Das Schöne am Café Franck ist vor allem das, wofür es steht: Kaffee. Der beste Milchkaffee der Stadt, wie ich finde. Cremig und stark, ein Herz oder Blatt im Milchschaum (ich möchte ihn gar nicht „Schaum“ nennen, denn es ist mehr eine Milchcrème). Außerdem liegt neben der Tasse, auf dem breiten Unterteller immer noch ein Stückchen abgeschnittenen Blechkuchens. Den stopfe ich immer in den Kaffee und schlabber ein bisschen, nach Franzosen-Art, herum. Jetzt!
Hm, lecker, Schokokuchen!
Ich weiß nicht recht, was ich schreiben soll. Ich habe vieles in meinem Kopf. Es ist eigentlich nichts passiert, und doch passiert immer etwas. Doch, eigentlich ist eine Menge passiert, denn Amerika hat einen neuen Präsidenten. Für viele Menschen ist also eine Menge passiert. Die letzte Nacht, in der ich traumlos und passiv schlief, haben Tausende von Menschen gezittert, gejubelt und geweint. Für viele Menschen fängt ab einem Moment, den ich verschlafen habe, ein neues Leben an. Wie bedeutsam! Lebensinhalt! Und ich? Was bewirkt diese Situation, die da wohl viele Tausend Kilometer entfernt passiert ist in mir? Ich schaue eine Sendung über die USA, als sie noch vor der Wahl stand, also gestern abend. Was ich mir merke sind die vielen Afroamerikaner, die sich für Obama begeistern. „Neuwähler“ werden viele davon genannt. Und ich denke mir: Toll, da sind eine Menge Menschen, die sich möglicherweise bisher kaum um die Politik ihres Landes geschert haben. Sie fühlten sich eh nur geduldet, nicht wirklich zugehörig, auch wenn in ihrem Pass der amerikanische Stempel dafür sprechen könnte. Nun kommt da einer, mit dem sie sich identifizieren können, und plötzlich identifizieren sie sich mit dem Land. Plötzlich haben sie Lust zu wählen, sie interessieren sich, winken nicht nur unbeteiligt ab. Das freut mich. Naja, wenn es denn so ist. Aber meine Phantasie spielte mir das vor.
Es gab aber auch noch weitere Gedanken, die ich im Zusammenhang mit diesem amerikanischen Ereignis hatte. Als ich diese Sendung sah, bekam ich plötzlich Lust zu reisen. Ich möchte mal wieder fremd sein, mal wieder durch fremde Strassen streifen, fremde Sprachen hören, mich wundern, und vor lauter Wundern mich vergessen. Dann bin ich nur noch in dem, was ich sehe, und merke gar nicht mehr, dass ich auch gesehen werde. Das ist ein schöner Zustand, den ich leider hier in der vertrauten Stadt nur selten erlebe. Und wenn, hat er nicht so eine Intensität, wie in der Ferne.
Ich habe von anderen gehört, dass die Amerikaner sehr nett und offen sein sollen. „Wenn du in Geschäfte gehst, wirst du gleich wie ein Freund begrüßt.“ Dann ist da dieser Ruf, die Amis leben „im Großen“. Alles ist groß: Orangensaftpakete, Burger, Autos, Bäuche, Selbstbewusstsein,... . Ich bin neugierig. Ich bekomme Sehnsucht nach der Fremde. Das ist meine direkte Auswirkung von der Präsidentenwahl. Da werden Lebensinhalte umgekrempelt, die Politik eines Landes ändert sich, Menschen gehen zum ersten Mal zur Wahl, und ich bekomme Fernweh. Egoist!? Ich und Obama. Obama und ich.
Nun sitze ich im Café Franck, und man merkt es kaum. Außer, dass ich Werbung für den Kaffee machte. Möchte meine „Leserschar“ vielleicht noch etwas wissen zu dem, was hier heute so passiert? Aber ist es interessant, wenn ich berichte über die zwei Frauen, die mir hier am meisten auffallen? Wer will wissen, dass es die Art Stadtfrauen in den Fünfzigern sind, die sich höchstwahrscheinlich in einem Kurs „Bioenergetische Körperarbeit“ oder einem Workshop „Über 50- Na und?“ kennen gelernt haben? Ah! Da dringt ein Satzfetzen an meine Ohren, der mich voll und ganz bestätigt: „Als ich in Tibet war....“ Sie redet so laut, als sei das Teil ihrer Verhaltenstherapie. „Steh zu dir! Du darfst sein! Fordere dein Recht! Du hast lange genug geflüstert!“ Der Hund, der ihr zu Füßen liegt, heißt übrigens „Amadeus“, wie ich gerade erfahre.
Ich glaube so interessant ist das nicht. Es ist ruhig hier, heute, am Mittwochnachmittag. Einem typischen Novembernachmittag. Vielleicht dem ersten dieses Jahr. Es war den ganzen Tag trübe, Feuchtigkeit hängt in der Luft, in den Bäumen und in meinen Haaren (die sich dann immer so kleinkindmässig kräuseln). Um zwei Uhr dachte ich, es wird gleich dunkel. Um halb fünf trat das ein. Und ich habe doch noch so viel vor, obwohl es bereits das gefühlte Tagesende ist.
In drei Stunden werde ich mit einem Mann in irgendeiner Bar hocken. Nach dem ersten Getränk werden wir uns näher zueinander setzen, nach dem Zweiten, den ersten Kuss geben, und später sind die Momente, in denen wir uns nicht berühren seltener, als die Momente, wo wir aneinander kleben werden. Ich kenne das schon. Es ist nicht der erste Abend, der so verlaufen wird.
„Mit einem Mann, der einfach nur Spaß macht“ schrieb ich in „morgens im Café Sehnsucht. In „Nachmittags im Café Franck“, und bezüglich diesen Mannes, möchte ich lieber schreiben „mit einem Mann, der nicht nur einfach Spaß macht, sondern auch Raum einnimmt.“ Es ist ein Mann, der seit Monaten in meinem Handy einige Piepser auslöst, die wiederum bei mir etwas, nämlich aufgeregte Freude, auslösen. Einige Male schon habe ich seinen Namen hier in dieses Gerät eingetippt. Texte, die nicht ihr, und auch er nicht, zu lesen bekommen. Jedenfalls noch nicht.
Über diesem Text steht „Ich und Obama“. Das ist nicht ganz der Schwerpunkt geworden. Macht aber nichts, Hauptsache, es hat Lust gemacht, zu lesen.
Morgen werde ich sicher wieder hier sitzen. Bei Milchkaffee, mit bekleckertem Kinn vom Kuchentunken, und von dem „einfach-nur-Mann“ schreiben. Ob ihr das zu lesen bekommt, weiß ich noch nicht. Das ist die große Frage, die ich mir beim Bloggen noch stelle: Inwiefern darf ich „intim“ werden?
Donnerstag, 6. November 2008
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