Freitag, 9. April 2010

Morgens, zehn vor sieben, in Ehrenfeld

Er ist wieder da!!! Ich hörte seine Stimme wieder. Während ich noch schlafgemütlich die warme Bettdecke knetete und den aufmunternden Vögeln draußen zuhörte, mischte sich eine mir altbekannte Stimme zwischen das Vogelgezwitscher. Und sie hat beinah denselben Effekt: Sie macht Sommerlaune.
Welche Stimme? Was hat sie gesagt? Wieso Sommerlaune? Es ist die Stimme eines Mannes. Ein Mann, den ich nicht kenne. Ich weiß nicht, wie er aussieht, wie alt er ist, was das für ein Auto ist, dass er vor meinem Haus startet, aber ich kenne eine Gewohnheit von ihm. Er trinkt morgens zwischen halb und sieben einen Kaffee, den ihm mein netter Kioskmann gegenüber zubereitet.
„Machste mir nen Kaffee fertig?!“ ist wieder da! Und mit ihm kommen alle Gefühle des letzten Sommers wieder. Ich bilde mir gleich ein, draußen wären bereits 20 Grad und die Welt stünde zu allen Sommeraktivitäten bereit.

„Machste mir nen Sommer fertig!“ ...

Freitag, 2. April 2010

Ostern- mal anders

Ostern. Bisher dachte ich, das sei die Gelegenheit, zu der uns klar gemacht wird, dass wir im Grunde alle schlechte Menschen sind. Wir haben Vorurteile, wir schauen nicht mit Liebe und Verständnis, wir sind uneinsichtig, wir schließen uns der schlechten Masse an, anstatt selber zu denken, wir sind bösartig, bis hin zu brutal. So brutal, dass wir einen Menschen nicht nur töten, sondern ihn bloßstellen, ihm heftige Wunden zufügen und uns ein Schauspiel bieten, wo wir uns tagelang an unserer Foltergier ergötzen können.
Und dann passiert etwas, und wir Arschlöcher merken plötzlich, dass wir solche sind. Dass wir jemanden für eine Lüge getötet haben, die gar keine war. Die Ankläger werden zu den Sündern. Und wir schämen uns und besinnen uns auf eine bessere Welt. Wir dürfen verstehen, dass es Menschen gibt, die tragen so viel Liebe in sich, dass sie nicht mal laut werden, wenn es um ihr Leben geht. Sie verzeihen uns sogar noch.

Plötzlich erkenne ich, dass die Geschichte auch mal umgekehrt verstanden werden kann. So eine biblische Geschichte, ist ja immer ein Bild, was uns helfen soll, etwas zu verstehen. Ein bisschen auch Auslegungssache. Sie holt den Menschen da ab, wo er gerade ist. Und darum sehe ich die Ostergeschichte nun noch mal anders. In einem vorhergegangenen Blogbeitrag schreibe ich über Veränderungen. Die wunderschöne Erkenntnis, dass Veränderungen eines Menschen möglich sind.
Mal angenommen der Jesus ist tatsächlich ein Angeber. Er muss ja nicht rum erzählen, dass er Gottes Sohn ist. Er könnte schön bescheiden durch die Welt trapsen und sein gutes Werk tun. Tut er aber nicht. Tun wir Menschen aber nicht. Wir sind oft ganz schön ätzend. Wollen gesehen werden, plustern uns auf, brauchen Bestätigung, sehen mehr uns selbst, als die anderen. Vielleicht kommt irgendwann der Punkt, an dem uns das bewusst wird. Und anderen wird es auch bewusst. Sie klagen uns an, werfen uns Schlechtes vor, setzen uns einen Spiegel vor. Und in dem verkehrt herum verstandenen Ostermärchen verstehen wir das plötzlich. Wir erkennen endlich, dass wir scheiße sind. Und wir schämen uns. Wir werden ans Kreuz genagelt, und geben keine Widerworte. Wir haben Schmerzen. Wir leiden an uns selbst. Tagelang, vielleicht noch länger, hängen wir am Kreuz, nackt, blutend, hilflos. Irgendwann kommt kein Blut mehr, wir haben alles ausgeschwemmt. Wir werden heruntergenommen von dem anklagenden Kreuz, und irgendwo hingelegt, wo wir in Frieden sind. Die Scham ist weg. Wir haben begriffen. Wir hingen drei Tage an unserem eigenen Kreuz, haben verstanden und gebüßt. Der Mensch, der wir waren ist gestorben. Ein neuer macht sich langsam präsent. Sein Blut fliesst bereits in unserem geschundenen Körper. Immer spürbarer wird er , immer mehr kommt er zum Leben. Und irgendwann ist die Kraft wieder da. Soviel Kraft, dass wir sogar den Stein hinfort rollen können. Der Stein, die vielleicht letzte Hürde, um uns zu beweisen. Sind wir tatsächlich stark geworden? Können wir einen Stein ins Rollen bringen. Uns selbst als neuen Menschen? Ja, wir können.

Und plötzlich, wie ich mir meinen Text noch mal durchlese, merke ich: Man muss die Ostergeschichte gar nicht anders herum verstehen. So wie sie ist, sagt sie genau das aus: Veränderungen im Menschen sind möglich. Wir, als Ankläger, als Ans-Kreuz-Nagler, verhalten uns scheiße. Wir erkennen das und schämen uns maßlos, denn es geht hier an die Substanz. Es geht um Liebe. Um Menschlichkeit. Um Intelligenz. Wir werden wach und merken, wir haben von all dem keinen Funken ins uns. Aber uns wird verziehen. Wir bekommen die Möglichkeit neu anzufangen. Und jetzt erst können wir durchstarten, denn die Energie der Scham, des Erschreckens über uns selbst ist so gross, dass sie uns trägt durch die Herausforderungen des neuen Lebens. Einem Leben, in dem es mehr Liebe, mehr Menschlichkeit, mehr Intelligenz geben soll.

Weihnachten ist das Fest, wo die Liebe geboren wird. Ostern die Gelegenheit zu zeigen, ob wir es begriffen haben.