Sonntag, 15. November 2009

Dankbar

Ich habe lange nichts mehr geschrieben. Und habe sogar schon Beschwerden darüber erhalten. Naja eine Beschwerde. Aber ich selber beschwere mich auch. Bei mir. Schreiben ist auch immer eine Herausforderung. Es soll ja was herauskommen, was mir gefällt. Und die Gefahr, dass mir das nicht gelingt, ist immer da.
Sei s drum (dieser Ausdruck gefällt mir hier und jetzt), jetzt schreibe ich.
Wieder einmal habe ich kein Thema parat. Wieder einmal ist eigentlich nicht richtig. Denn wenn ich hier was für den Blog schreibe, dann doch meistens aus einem Motiv heraus. Der Fotograph hat das Motiv bereits vor Augen, jetzt gilt es, dieses zu fixieren.
Als ich mich eben auf dem Weg in dieses Café befand, dachte ich darüber nach, welches mein Motiv sein könnte. Mir ist eingefallen, dass ich mich gerade sehr dankbar fühle. Die Dinge, für die ich dankbar bin, könnte ich doch eigentlich gut mal „in die Welt“ schreiben.
Gestern war mir etwas mulmig. Ich hatte den ersten Tag in einem vielleicht neuen, kleinen Job. In einem neuen, kleinen Café wollte ich gerne mitarbeiten. Am ersten Tag fühlt man sich erstmal wenig wohl. „Die Neue“ ist eine schlechte Rolle. Aber es ging alles sehr gut. Ich legte den Unsicherheitsmantel schnell ab, und machte einfach. Ich versuchte das Zögern aus den Bewegungen zu nehmen. „Das ist dein erster Tag heute? Du bist wie gemacht für diesen Ort!“ sagten mir Gäste. Wer zögert da noch lange. Ich zögerte, meine neue Chefin zu umarmen. Und dann tat sie es. Dafür bin ich dankbar.
Heute war ich inmitten meiner Familie. Das ist kein grosses Ding. Da sind meine Eltern und meine Grosseltern. Mein Bruder gehört auch noch zu dem Paket, aber der war heute nicht dabei. Opa hat Geburtstag. Wir sind bei der Oma im Altenheim und trinken Kaffe und essen Kuchen. Opa ist für seine Jahre noch ganz schlagfertig. „Wie alt bist du nun eigentlich geworden?“ „39“, sagt der 93-Jährige.
Irgendwie ist alles gut. Wenn auch die Oma so still ist. Der Opa auch wieder grosse, zum x-ten Mal wiederholte Reden schwingt. Der Papa uns mit seinen Fragen traurig oder genervt stimmt, weil er uns wieder bewusst macht, dass er alt geworden ist. Die Mama angespannt den Tisch deckt und die Augen über des Mannes unmündiges Verhalten rollt. So ist doch alles gut. Ich habe sie alle lieb, und sie haben mich alle lieb (bei dem Opa bin ich mir nicht so sicher, aber ich habe Zeit genug gehabt mich damit abzufinden). Sie haben mich sogar so lieb, dass sie nicht wollen, dass ich nachher am kalten, dunklen Bahnsteig auf einen Zug warten muss, und nehmen einen grossen Umweg in Kauf und fahren mich nach Hause.
Ich bin dankbar für meine Familie.
Heute morgen war ich beim Yoga. Der Körper macht brav mit. Er dehnt sich soweit, wie ich es von ihm verlange. Wenn er ziept, dann soll er seine Ruhe haben. Wir sind gute Kumpels. Dafür bin ich dankbar.
Nachher schmolz ich in die Sauna-Holzbänke und dann in die weichen Polster des Liegestuhls. Wir können uns so wohl fühlen, Ich spüre die Wärme und Weichheit immer noch. Dafür bin ich dankbar.
Gerade ist es so mild draussen. Je weniger kalte Tage der Winter hat, umso besser. Dafür bin ich dankbar.
Ich trinke gerade ein kleines Glas Weißwein. So ein kleines Glas Wein fühlt sich in Körper und Geist sehr angenehm an. Ein ähnliches Verschmelzen wie in der warmen Sauna entsteht. Meine Beine verschmelzen in meinen Knien, meine Augen in ihren Kuhlen, mein Atem in meinem warmen Körper. Der Geist verschmilzt mit seiner Umgebung. Die Musik und die Stimmen um mich herum, in diesem sonntagvorabendlichruhigem Café verwabern sich, mein Blick fixiert sich, da wo er sich sonst nicht zu ruhen erlaubt, manche Fragen stellt man sich einfach nicht mehr. Dafür bin ich dankbar.
Ich bin dankbar, dass ich auf diesem feinen Computer tippen darf, der mir von einem sehr feinen Menschen geschenkt wurde.
Ich bin dankbar, dass ich diese Hose tragen kann, weil ich sie auf einem Flohmarkt für wenige Euro fand. Ebenso die Schuhe. Und die Bluse. Ich bin dankbar für meinen Spürsinn. Oder für den Typ da oben, der die Fäden zieht, und mich so oft im richtigen Moment an die richtige Stelle lenkt. Ich bin dankbar, dass ich diese Intuition fühlen kann.
Ich bin dankbar, dass der Yoga-Lehrer uns heute morgen so eine lange End-Entspannung gegönnt hat, und mit langem Atem den ganzen Körper mit uns durchgegangen ist.
Ich bin dankbar, dass ich ihm dafür gedankt habe. Und dass er sich bei mir dafür bedankt hat.
Ich bin dankbar dafür, dass ich am heutigen Sonntagabend nicht mit Grummeln an die bevorstehende Woche denken muss.
Ich bin dankbar, dass ich in einer Stunde die Treppe in meinem Haus hinuntersteige, und mit meinen befreundeten Nachbarn/benachbarten Freunden, gemeinsam „Tatort“ schauen werde. Wir könnten auch „Musikantenstadl“ anschauen, mir egal, ich freue mich einfach mit diesen Menschen so etwas wie Familie zu fühlen.
Wird es langsam kitschig? Zuviel des Dankens? Es gibt da ein Kirchenlied. Es kann eigentlich nur evangelisch sein. Es geht so: „Danke für diesen guten Morgen, Danke für jeden neuen Tag, Danke (für dies und jenes, habe ich vergessen)... Danke, dass ich danken kann.“ Kennt das jemand? Musste ich gerade dran denken.
Na gut, ich höre auf. Wird jetzt eh Zeit. Gleich kommt Tatort.

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