Das war`s. Weihnachten liegt hinter uns. Und ich liege im Bett und bin schwermütig. Ich sollte etwas schreiben, das hilft meistens. Nach so vielen Tagen, an denen man nichts tat, was den Geist so erfreute, wie Schreiben das vermag, fühle ich mich ein wenig hohl.
Ich könnte an den heiligen Abend zurückwandern, der ist ja auch noch nicht verarbeitet. Der Tag fing schön, sehr schön an, mit einem Text, der mir zu schreiben guttat, und einem Gefühl, was zwar weihnachtlich passend mit Liebe zu tun hatte, aber auch an jedem anderen Tag hätte geschrieben werden können.
Ich ging auf die Strasse, radelte durch die halbe Stadt, und es entstand nicht das mir so bekannte Gefühl von „Heute ist was Besonderes- Du weißt es doch auch?!“ Ich spürte nicht in jeder Zelle „Heilig Abend“ und die anderen Menschen sahen auch nicht nach „Heilig Abend“ aus. Nicht jeder Schritt, den man tat, war ein Heilig Abend-Schritt, nicht jedes Brot, dass man kaufte ein Heilig-Abend-Brot. Und es war gut so. Ich vermisste die „Heute ist was besonderes und alle spüren es!“ - Stimmung nicht.
Sie stellte sich auch nach fünf Stunden festliche Weine verkaufen und „Frohe Weihnachten“ wünschen nicht ein.
Am Nachmittag, auf dem Heimweg, waren alle Schritte getan, alle Brote gekauft, es waren kaum noch Menschen unterwegs. Nach Tagen der Rennerei, der vollen Strassen, vollen Geschäfte, vollen Tüten, war es plötzlich still geworden. Irgendwo läuteten Kirchenglocken.
Ein Jogger lief mir entgegen. Eine Gruppe türkischer Jugendlicher isst Döner. Heilig Abend?
Ich ging zu einem kleinen Bahnhof und wartete auf meinen Zug. In jedem Vierersitz sassen Menschen. Mir schräg gegenüber saß ein Paar. Asiaten, vielleicht Japaner, vielleicht 30 Jahre alt. Er hatte eine Mc Donald s Tüte auf dem Schoß, und verschlang irgendwas von deren Inhalt. Sie schaute ihn dabei mit einem immer wieder angewiderten Blick an. Ich weiß nicht, ob das mit dem Inhalt der Mc Donalds-Tüte oder dem Gespräch zusammenhing. Wo fahren die beiden hin? Am Heilig Abend.
Ich fuhr geradewegs in die Kirche. Dort traf ich meine Mutter und Bruder. Und viele Menschen, die kirchenfreundlich still waren, in dicken Winterjacken, mit frisch geföhnten Haaren. Warten, bis der Gottesdienst anfängt. Alles schläft, einer wacht. Alles still, einer spricht. Das war ich. Hatte meine Mutter doch paar Tage nicht gesprochen.
Dann spricht der Pastor. Den mag ich. Ein ganz alter Mann, mit ganz weißen Haaren und ganz blauen Augen. Ein sehr liebevoller, sanfter Mensch. Er freut sich am Fest, und an uns, seinen Gästen sagt nicht: „Heute an Weihnachten sind dann doch mal wieder die Kirche voll.“ Er sagt: „Alle sind so brav, vor allem die Kleinen. Hier in der ersten Reihe sitzt so einer. Ich suchte immer seinen Blick, wollte ihm zuwinken. Aber er ist so brav und still, er sieht mich gar nicht.“
Er erinnert uns an die, die gerade nicht hier sein können. Weil sie krank sind. Oder auch weil sie die Kirche vergessen haben.
Ich bekomme feuchte Augen. Weihnachten. Macht einen so sentimental.
Stille Nacht begleitet den Weißhaarigen mit seinem Gefolge hinaus. Gottesdienst vorbei. Ich drehe mich zu meiner Mutter. „Frohe Weihnachten“, sagt sie und gibt mir die Hand. Ich muss sie feste umarmen. „Frohe Weihnachten und viel Kraft!“ wünsche ich ihr, denn die kann sie gerade gut gebrauchen. Wenn man Tränen in den Augen hat, muss man so was sagen.
Beim Hinausgehen kommen wir an meinen lieben Pastor vorbei. Er sitzt dort auf seinem Rollator und schüttelt jedem die Hand. Ich habe Glück, bekomme seine beiden Hände. „Uh, so kalte Hände. Warum das denn?“ fragt er mich und wir lächeln uns mit den Augen an.
Draußen umarme ich meinen Bruder. Fester als sonst.
Ich hole mein Handy aus der Tasche. Es kündigt mir eine Nachricht an. „Weihnachten ist Liebe“ steht darin. Geschrieben von dem, an den ich zwischen Stiller Nacht und Halleluja, zwischen Föhnfrisuren und dem Friedenszeichen, zwischen Tränen und einem offenen Herzen, am meisten gedacht habe.
Sonntag, 27. Dezember 2009
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