Es muss schon etwas Besonderes passieren, wenn ich mal wieder meinen Blog fülle. Das Besondere, was mir passiert, passiert heute der ganzen Menschheit (zumindest dem Teil, der in unserer Zeitrechnung lebt): Silvester. Das alte Jahr wird zum neuen Jahr. Der alte Mensch, der in der letzten Zeit abwartend und möglicherweise lethargisch geworden ist, wird zum neuen Menschen mit neuen Zielen und Ideen im Blut.
Zu diesem Phänomen habe ich beim letzten Jahreswechsel bereits etwas geschrieben. Es soll nicht langweilig werden, darum verkneife ich mir dieses Mal nachdenkliche, möchtegern-schlaue Sätze zu diesem Event.
Ich habe auch letztes Jahr von meinem Weihnachten berichtet. Das möchte ich dieses Jahr wiederholen, denn das wird keine Wiederholung, sondern, wetterbedingt, eine ganz andere Geschichte.
Es war einmal Der Heilige Abend im Jahre 2010. Eigentlich fängt die Geschichte am Heiligen Abend Morgen an. Als ich aus dem Fenster schaue und in meinem Bauch Panikbienen wild schwirren. Schnee. Und zwar mehr als gestern. Mehr als vorgestern. Mehr denn je. Vor meinem Fenster ein Wintersportort. Sehr schön sieht das aus, und ich finde es schade, dass ich nicht, wie es eigentlich natürlich wäre, bei dieser herrlichen Landschaftsveränderung, kindliche Glücksgefühle verspüre. Das mag daran liegen, dass ich als Kind auf den Rücksitz krabbeln konnte mit dem guten Gefühl „Papa macht das schon“. Heute muss ich hinter dem Steuer sitzen und „es schon machen.“ Ich mache es aber nicht. Ich komme nicht weg aus meiner eingeschneiten Parklücke. Und ich will auch nicht weg. Ich will nicht raus aus meiner Schneehöhle und das Auto auf die gruseligen Strassen bewegen. Der Plan ist nach Hause zur Familie zu fahren. Die sind 40 Kilometer von meiner Schneehöhle entfernt. Dazwischen liegen endlos weite Landstrassen, die vermutlich kaum noch als solche zu erkennen sind, weil der Schnee alles in eine große, weiße Fläche verwandelt hat. Dazwischen liegen Gefahren von im Graben landen, im Schnee stecken bleiben, Auto kaputt bis hin zum Erfieren. Und das an Heilig Abend? Nein. Das schaffe ich nicht. Ein Kind kommt, ein Erwachsener geht. Die Rechnung geht auf, aber nicht mit mir. Ich werde sehr traurig, aber mein Entschluss steht fest. Angstbedingt bleibe ich zuhause. Ich rufe meine Eltern zum x-ten Mal an, und teile ihnen meine endgültige Entscheidung mit. Wir legen niedergeschlagen auf. Ich weine sehr viel an diesem Tag. Weihnachten alleine. Das Fest der Liebe abgeschnitten von den Menschen, die man liebt. Ich überlege mir, wie ich den Tag also rumbringen kann. Ich denke an Glühwein, den ich noch im Schrank habe, und studiere das Fernsehprogramm. Ich versuche mich zu trösten, indem ich mir einrede: „Hey, es ist ein Tag wie jeder andere. Ich ignoriere einfach, was die restliche Welt da draußen heute macht. Die Welt, die mutiger war als ich...“
Ich telefoniere mit meinem Freund. Er macht gerade seine Weihnachtseinkäufe. Wie kann das sein? Wie können Menschen sich so normal in der Welt bewegen, die doch heute, zumindest mir, so verschlossen erscheint? Wie kann man irgendwohin gelangen, was außerhalb der Zu-Fuss-Geh-Weite liegt??
Ich kann kaum reden, kann nur mein Schicksal beweinen. Fühle mich so einsam. Mein lieber Freund schimpft mit mir, warum ich denn nicht schon eher angerufen habe. „Ich komme dich abholen. Ich fahre dich zu deinen Eltern.“ Mein Freund befindet sich gerade ca. 30 Kilometer von meinem Wohnort. Er hat Sommerreifen. Ich will gerade „Nein, nein, das ist doch verrückt!“ sagen, da klingelt das Festnetztelefon. Meine Mutter: „Schatz, nimm dir ein Taxi und komm damit her. Wir zahlen es dir.“
Nun muss ich noch mehr weinen. Das ist das echte Fest der Liebe. Entgegen der Vernunft handeln. Die Hauptsache sind die Menschen und ihr Glück. Ihr Zusammensein und ihre Liebe. Ich werde geliebt.
„Du wirst geliebt“ ist übrigens genau die Definition, die ich letztes Silvester beim Bleigießen aus meiner Figur gelesen habe...
Ich wünsche allen Liebe. Denn das ist das Wichtigste im Leben. Und zwar nicht nur geliebt werden, sondern vor allem Liebe geben. Ein wunderschöner, wohliger Kreislauf gegen den Schnee und weitere Katastrophen keine Chance hat.
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