Sonntag, 7. Februar 2010

Allalei von unterwegs

Wieder auf Reisen. Wieder im Thalys. Ich schreibe hier „wieder“, weil ich schon einmal aus diesem roten Zug in meinen gelben Blog geschrieben habe. Das war vor gut vier Monaten. Im September. Da fällt mir ein, dass da am Ende der Zugfahrt das Licht draußen fehlte und ich nicht mehr hinaus schauen konnte. Ich beschwerte mich, immer nur mich im Spiegel der Scheibe zu sehen, anstatt schöne Landschaften. Heute wird das auch wieder so sein. Vermutlich schon früher, denn es ist Februar. Die Tage sind noch kurz. Gegen halb sechs werden die Landschaften verschwinden, und mein Gesicht immer deutlicher werden.
Toll! finde ich gerade, dass ich beides gleichzeitig kann. Ich dachte mir, ich sollte eigentlich die Zeit nutzen, die mir bleibt, um hinaus zu schauen, anstatt in den Laptop. Ich schaute also hinaus, tippte aber weiter. Das funktioniert. So als hätte ich, die aus dem Fenster schaut, nichts mit der, die tippt, zu tun.
Letztes Mal auf dieser Fahrt nach Paris, hatte ich das Bedürfnis von meinen Mitreisenden zu erzählen. Das waren vier französisch sprechende Rentner, die durch ihre gebildeten Gespräche auffielen. Die sitzen heute nicht im Zug. Muss mir also andere Beobachtungsobjekte suchen. Es fällt aber niemand auf. Lauter asiatisch ausschauende Zugmitbewohner gibt es heute um mich herum. Aber die sind still und bieten keinen Grund etwas über sie zu erzählen.
Dann schreibe ich lieber über meine Gefühle. Die sind selten still.
Übrigens fährt der Thalys in diesem Jahr schneller. Er braucht nur noch gut drei Stunden bis wir in der anderen Welt, Paris, sind. Habe also eine halbe Stunde weniger, um mit meinen Worten mein Hirn zu erforschen. Ich stelle es mir gerade vor, wie einen Staubsauger, der in meinem Hirn rumwuselt und in alle Ecken hineinguckt, und überall etwas findet, von dem ich gar nicht wusste, dass es existiert.
Gefühle also. Wie fühlt es sich an nach Paris zu fahren? Unaufgeregt. Es ist eine Stadt, die mir vertraut ist. Ich freue mich dennoch auf sie, denn ich mag sie. Ich freue mich auf Orte. Nach welchen Orten ist mir diesmal? Gerade ist mir danach noch mal den Montmartre zu erklettern. Auf den Stufen vor der Kirche sitzen und auf die Stadt ohne Grenzen gucken. Mir ist auch nach der Ile St-Louis- ein bisschen Seine-Wandern. Notre-Dame meiden. Vielleicht mal wieder ins 13/14 Arrondissement, die Rue d Alesia entlang. Ich sollte mir die Rue de Rivoli verbieten. Dahin gehe ich immer. Allerdings möchte ich eine Ausstellung im Hotel de Ville anschauen. Die liegt gleich an der Rue de Rivoli. Wird also nichts aus dem Verbot. Es ist eine Photoausstellung. Hotel de Ville-Rathaus- verpflichtet: eine Paris-auf-die-Schulter-klopfende Photoausstellung.
Ich merke gerade, dass die Ankündigung, über meine Gefühle zu schreiben, nicht wirklich eingehalten wurde. Es war zu verlockend mir zu überlegen, wohin ich gehen, was ich machen wollte.
Konzentration auf die Gefühle: Ich fahre dieses Mal nicht alleine nach Paris. Ich nehme jemanden mit. Er weiss es nicht so richtig, denn er ist nur gefühlt bei mir. Real läuft er gerade durch den Wald und misst sich mit anderen Läufern. Aber wenn ich in die Landschaft schaue, schaue ich für zwei. Und wenn ich etwas erlebe, erlebe ich für zwei. Ich freue mich darauf, dieses Mal mit dem Bewusstsein durch die Stadt zu laufen, dass ich nicht alleine bin. Es gibt da jemanden, dem ich alles erzählen kann. Ich werde mich vielleicht in ein Café setzen und einen Brief schreiben. Und eigentlich schreibe ich die ganze Zeit Briefe. Die kann man nicht anfassen, die braucht kein Briefträger herumzutragen, die gibt es nur in meinem Kopf.
Übrigens wird das wohl nichts mit den „nur gut drei Stunden“ bis Paris. Der Zug steht schon seit zwanzig Minuten unmotiviert auf der Strecke, und die Lautsprecherstimme benutzt in vier Sprachen das Wort Signalstörung.
Übrigens habe ich nun doch etwas Interessantes über die Asiaten entdeckt: Die zeichnen. Sie zeichnen Jacken und Hosen und haben Stoffschnipsel vor sich liegen. Aha, die haben den gleichen Grund nach Paris zu fahren wie ich: Die wollen auf die Messe. Messe für Stoffe und Besatzartikel. Die gehen einkaufen. Ich helfe ihnen dabei. Wenn sie zu mir an den Stand kommen, zeige ihnen Bänder, mit denen sie ihre Jacken und Hosen schmücken können.

Sollte ich mal aufhören? Wird der Text zu lang? Ich selber habe ja auch schon gar keine Lust einen Text anzufangen, wenn ich sehe, er geht noch ewig weiter.
Aber ich bin noch ganz gut im Fluss. Aber ich baue eine kleine Stromschnelle rein. Die rüttelt auf und hält wach.

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