Dienstag, 15. Mai 2012
Zwischen Bitterfeld und Jena Paradies war ich glücklich, Teil 1
Die Rolltreppe zum Untergeschoß in den Berliner Hauptbahnhof. „München“ steht auf den Anzeigetafeln des Zuges, der meiner ist. Erst jetzt verstehe ich, dass ich eine Strecke vor mir habe, die ich noch nie gefahren bin. Nicht nur das, ich fahre durch ein Gebiet auf der Landkarte, was mir vollkommen unbekannt ist. Osten noch dazu. Ich war mal im Osten, da gab es die Grenze noch. Hat mich schwer beeindruckt. In einem Land vor unserer Zeit. Alles so schön stehen geblieben. Darf ich das sagen, ohne dass sich jemand ärgert?
Ich mag das Alte. Für mich geht die Welt viel zu schnell durch ihre Zeit. Sie reist alles an, Neues verliert zu schnell unsere Begeisterung. Traditionen gibt es nicht mehr. Moden haben eine immer kürzere Haltbarkeit. Ich will aus dem Zug springen, der durchs Leben fährt und Stopp rufen, will noch nicht weiter fahren. Ich will da auch gar nicht hin, wo die anderen scheinbar hinwollen. Ich will wieder zu den Mädels vom Immenhof, zu Peter Alexander, der mit seiner Gitarre auf dem Dorfplatz die Fräuleins im bauschigen Rock betört. Verzweifelt suche ich die kleinen Läden und traurig sehe ich, dass die Orte immer gleicher werden. Es scheint nur noch acht Geschäfte zu geben, und die gibt es an jedem Stadtrand, und auch in jeder Fußgängerzone. Aber das klingt ja unglücklich, ich war doch eigentlich glücklich ab Bitterfeld. Sagen wir, das waren die Gedanken vor Bitterfeld.
Bitterfeld, davon habe ich schon gehört. Ich kann nicht sagen, dass es Reiseempfehlungen waren. Eher wurde da von Industrie und schlechter Luft gesprochen. Die Luft konnte ich durch mein Zugfenster nicht riechen, aber die Industrie sah ich ganz deutlich. Aber die Sonne schien, und Puderzuckerschnee beschönigte die Rohre und Kamine. Außerdem wurde ich ja gerade glücklich, da macht auch so ein bisschen Industrie nichts aus.
Warum glücklich? Weil ich mich frei fühlte und abenteuerlich. Und vor allem weil es so schön war da draußen. Immer wenn ich sehe wie schön die Welt ist, vor allem die deutsche, macht mich das glücklich. Es sei denn, ich habe gerade guten Grund, nicht glücklich zu sein.
Der Zug fuhr weiter, und es wurde immer schöner. Halle, aha, so sieht Halle aus. Die meisten im Zug stiegen aus. Da verpassten sie aber was, denn jetzt wurde es erst richtig idyllisch. Weinberge und jeder Weinberg hatte sein Steinhäuschen. Und am Fuße des Hangs ein Fluss. Halle an der Saale. Klar, Saale-Unstrut!
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen