Ich werde wach, und das letzte, was ich noch weiß, ist, dass ich auf meinem tollen neuen Fahrrad fuhr und neben mir fuhr ein Mann auf seinem Rad. Er strampelte recht kräftig und fragte in welchem Gang ich denn unterwegs sei. „Ach, erst im fünften (von acht),“ antworte ich. Er schnauft. Ich bin stolz. Hinter uns nähert sich eine weitere Radfahrerin. Auch sie spricht mich an: „Hey, wie groß bist du?“ Sie meint mich. „Du bist ganz schön groß, oder?“ Sie spricht mit einem französischen Akzent. Ich steige ab, sie auch, und wir stellen fast, dass ich gar nicht so groß bin. Wir stehen vor ihrem Second-Hand-Mode- Laden und sie sagt zu mir: „Ich habe ein Paar Söckchen für dich. Die passen sonst niemandem. Die sind ganz bunt.“ Bunte Socken trage ich nicht. Ich gehe mit ihr in den Laden. Die Frau ist nett. Sie findet die Socken nicht, holt eine Kladde hervor und blättert darin. Sie will mein Geburtsdatum wissen: 2. September, sage ich. Heute. Und werde wach.
Es wird langsam hell. Mein Wunsch ging in Erfüllung. Und die Wettervorhersage auch: ein wolkenloser Himmel verspricht zumindest erste sonnige Stunden an diesem Tag. Meinem Tag, der mir bisher gar nicht so wahnsinnig wichtig erscheint. Immer denkt man, man sei anders als die anderen. Ich habe mich immer gewundert, dass für meine Eltern und Grosseltern der Geburtstag gar nicht mal so bedeutsam war wie für mich. Ich wollte immer am liebsten mit einem Schild um mich herum laufen, auf dem steht: Heute ist mein Geburtstag. Kindern zieht man ja zu diesem Tag auch gerne eine Krone auf. Die könnte ich auch tragen. Eigentlich bis heute. Wenn ich mich gleichzeitig auch lächerlich fühlen würde mit Krönchen. Dennoch ist sie in den Jahren etwas verpufft: die Geburtstags-Euphorie. Klar, als Kind ist Geburtstag was ganz besonderes, als Erwachsener lässt das nach. Nein, nein, nein, bei mir nicht. Da war ich ganz sicher.
Das hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal Geburtstage erlebe, an dem ich nicht in jeder Sekunde „Geburtstag! Geburtstag! Geburtstag!“ fühle. Der Tag, an dem dir alles erlaubt ist. Wenn ein Spiel gespielt wird, durftest du anfangen. Wenn du dich dreckig machtest, war es ganz egal. Du konntest an diesem Tag jeglichen Mist machen, du wurdest freigesprochen. Alle hatten dich lieb. So kam es mir zumindest vor. Vielleicht hat deshalb der Reiz des Erwachsenen-Geburtstages nachgelassen: Man hat keine Krone mehr auf. Die anderen haben einen nicht mehr lieb als sonst. Man spielt eben keine Spiele mehr, haut nicht mehr auf Pappmaché-Figuren, bis die Bonbons rausfallen, zieht nicht mehr sein Lieblingssommerkleid an, auch wenn es draußen 15 Grad sind, UND: man bläst keine Kerzen mehr aus. Hey, was ist das eigentlich für eine blöde Entwicklung?! Wann hat man aufgehört Kerzen auf den Kuchen zu stellen? Nur weil man plötzlich über 30 Kerzen auf den Kuchen quetschen müsste? Hey, dann soll der Kuchen halt größer werden.
Das ist es! Ich habe verstanden, warum das Geburtstagsgefühl verschwindet. Es liegt nicht an unserer Unfähigkeit die kindliche Freude zu entwickeln. Wir werden einfach nicht mehr „hochgelebt“. „Hoch, soll sie leben, hoch soll sie leben, dreimal hoch. Hoch! Hoch!“ sang man im Kindergarten und wurde auf seinem Stühlchen in die Luft gehoben. Ja, macht man das mit Erwachsenen??? Warum nicht? Kein Wunder, dass wir dem kindlichen Geburtstagsgefühl nachtrauern. Wenn ich mal Kinder habe, dann bekommen die auch mit 40 noch ne Torte, und ein Geburtstagsritual, dass nur uns gehört, und dass wir solange wir gemeinsam Geburtstag feiern können, und es wollen, zelebrieren! So!
Das hätte ich verstanden. Ich werde jetzt aus diesem Bett aussteigen und mich auf den Weg an den See machen. Da ist zwar niemand, der mich hochleben lässt, aber dort lasse ich erstmal die Welt hochleben. Ich kann ja den Vögeln zuzwitschern, dass heute mein Geburtstag ist. Aber ich glaube sie wissen das schon. Tiere spüren so etwas ;)
Mittwoch, 2. September 2009
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1 Kommentar:
Kommentar in eigener Sache ;)
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